Studentin der Universität Potsdam
DOI: https://doi.org/10.60935/mrm2024.29.2.11
In der Presse liest man des Öfteren von Personen, die mit einem „internationalen Haftbefehl“ weltweit gesucht werden. Oft verbirgt sich hinter dieser umgangssprachlichen Bezeichnung ein sog. „Red notice“ von INTERPOL, bei dem es sich, wie es noch zu zeigen gilt, nicht um einen tatsächlichen, verbindlichen Haftbefehl handelt. Betrachtet man jedoch die Eingriffsintensität, die diese Maßnahme mitunter für Betroffene haben kann, ist diese durchaus vergleichbar und gegebenenfalls sogar weitreichender aufgrund der nahezu weltweiten Nutzung des INTERPOL-Systems durch die nationalen Behörden. Während mit einem nationalen Haftbefehl gesuchten Personen verschiedene Rechtsmittel und gerichtliches Vorgehen gegen diesen offenstehen, gestaltet sich der Versuch einen „Red notice“ einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen und gegebenenfalls unberechtigte, in die Menschenrechte eingreifende Folgen zu beseitigen für Betroffene deutlich schwieriger. Wie dieser Beitrag zeigen wird, ist es Betroffenen sogar unmöglich in effektiver Weise direkt gegen einen „Red notice“ und Verhalten INTERPOLs bei einer möglichen Verletzung ihrer Menschenrechte vorzugehen. Hierbei wird näher untersucht, welche Probleme und Hindernisse zu diesem Ergebnis führen, aber auch welche Möglichkeiten den Betroffenen dennoch bleiben. Ein besonderer Fokus wird hierbei auf die Garantien der EMRK und die Kompatibilität des INTERPOL-Systems mit ihnen gelegt.
Keywords: Individualrechtsschutz, EMRK, Internationale Organisationen, INTERPOL, „Red notice“, faires Verfahren
Zitation: Stölting, J. (2024). INTERPOL-Maßnahmen – Möglichkeiten des gerichtlichen Individualrechtsschutzes und Kompatibilität des INTERPOL-Systems mit der EMRK. MenschenRechtsMagazin 29. https://doi.org/10.60935/mrm2024.29.2.11.
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Eingereicht: 14.08.2024 | Akzeptiert: 16.10.2024 | Publiziert: 19.11.2024
Contents
Mit der Zunahme der staatlichen Zusammenarbeit auf internationaler Ebene und damit einhergehender Übertragung von zahlreichen Aufgaben und Kompetenzen an Internationale Organisationen steigt auch die Bedeutung dieser Organisationen für den Menschenrechtsschutz. Dies gilt insbesondere, wenn es um Maßnahmen der Organisationen geht, die (möglicherweise) in hochsensible, individualrechtliche Rechtspositionen eingreifen. Besonders präsente Maßnahmen solcher Art sind die sog. „Red notices“ der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (nachfolgend INTERPOL), welche allen Mitgliedern zugängliche Ersuchen um Fahndung und Festnahme zum Inhalt haben. Zusätzlich sind sie (zumindest teilweise) der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich.1 Zu beachten ist jedoch, dass „Notices“ immer auf der Anfrage eines nationalen Zentralbüros – für Deutschland ist dies das Bundeskriminalamt – oder eines internationalen Gerichts oder Tribunals und einem zugehörigen nationalen Haftbefehl oder Gerichtsurteil basieren und nicht von INTERPOL selbst initiiert werden.2 Während dem Individuum gegen solche Eingriffe von staatlicher Seite mittlerweile zusätzlich zum nationalen Rechtsschutz verschiedene Wege zur Durchsetzung seiner Rechte im internationalen Menschenrechtssystem offenstehen, ergeben sich solche Möglichkeiten nicht ohne Weiteres gegen Eingriffe von Internationalen Organisationen.3
Die nähere Auseinandersetzung mit den dennoch bestehenden Möglichkeiten des individualrechtlichen, gerichtlichen Vorgehens – primär auf internationaler Ebene – und die damit verbundenen Probleme für Betroffene bezogen auf Maßnahmen von INTERPOL sollen der Gegenstand dieses Beitrags sein.
Im Zusammenhang mit INTERPOL ergeben sich verschiedene Probleme des gerichtlichen Rechtsschutzes auf verschiedenen Ebenen.
Maßgeblich für Verpflichtungen und den Rechtsschutz bei deren Verletzung auf internationaler Ebene ist zunächst, ob INTERPOL eine Internationale Organisation darstellt.
Das heißt, INTERPOL muss von mindestens zwei Völkerrechtssubjekten errichtet werden, auf Dauer angelegt sein, eigene Aufgaben zur selbstständigen Wahrnehmung haben, die von mindestens einem handlungsfähigen Organ erfüllt werden, und durch einen völkerrechtlichen Vertrag gegründet sein.4 Erstes Problem liegt bei INTERPOL darin, dass z. B. in Art. 4 ICPO-Constitution nicht von „States“, sondern von „Country“ oder einer Delegation von „Official police bodies“ als Mitgliedern der Organisation gesprochen wird, was gegen eine Einordnung als Internationale Organisation sprechen könnte, da eine solche grundsätzlich zwischenstaatlicher Natur ist.5 Die Gründung des Vorläufers von INTERPOL, der International Criminal Police Commission (ICPC), kam außerdem auf einem internationalen Kongress der Polizeibehörden zustande, ohne dass es einen Gründungsvertrag gab.6
Mit der Verabschiedung der ICPO-Constitution kann man allerdings davon ausgehen, dass nun ein völkerrechtlicher Gründungsvertrag vorliegt, indem man die Teilnehmer der Generalversammlung der ICPC als völkerrechtlich berechtigt ansieht, für ihre Staaten zu handeln und diese völkerrechtlich zu binden. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass das Verhalten von Staaten und somit auch die Art der zwischenstaatlichen Kooperation keinen festen Form- und Verfahrensregeln unterliegen, solange keine anderen völkerrechtlichen Regeln entgegenstehen (Prinzip aus dem sog. Lotus-Fall).7 Zusätzlich kann man für das Zustandekommen völkerrechtlicher Verträge die Bestimmungen der WVK heranziehen, welche aufgrund der Wiedergabe weitgehend bereits anerkannten Völkergewohnheitsrechts auf die 1956 erfolgte Verabschiedung der ICPO-Constitution wenn auch ratione temporis nicht direkt, so doch zumindest entsprechend herangezogen werden können.8 Hieraus ergibt sich sodann durchaus eine Einordnung INTERPOLs als zwischenstaatlich.9 Zum einen waren die auf der Konferenz Anwesenden berechtigt im Namen ihrer jeweiligen Staaten zu handeln, was sich aus dem Verhalten der Staaten im Sinne von Art. 7 Abs. 1 lit. b WVK ergibt. Als Polizeibehörden waren sie allgemein dazu geeignet, im Sinne des Staates zu handeln. Weitere Bestätigung dieser Einordnung findet sich in der Praxis INTERPOLs: Mitglieder sind nach dem Verständnis der Organisation die „Member countries“ und nicht etwa die einzelnen Polizeibehörden.10 Hinzukommt eine Resolution der INTERPOL-Generalversammlung, welche sich für eine Auslegung der Resolution im Sinne von souveränen Staaten als Mitglieder ausgesprochen hat und auch der Registrierung der ICPO-Constitution bei den VN als internationalem Vertrag zugestimmt hat.11 Zudem nimmt INTERPOL auf internationaler Ebene selbstständig Aufgaben der polizeilichen Kooperation und Kommunikation wahr, indem etwa sog. „Notices“ nach eigener Prüfung veröffentlicht werden.12
INTERPOL verfügt neben der Generalversammlung über weitere handlungsfähige Organe, wie etwa die Commission for the Control of INTERPOL’s Files (CCF), die über Datenverarbeitung entscheiden kann (vgl. Art. 36 ICPO-Constitution).
Aufgrund des langen Bestehens der Organisation kann von einer Anlegung auf Dauer ausgegangen werden.
Aufgrund dieser Praxis und Entwicklung kann INTERPOL heute als Internationale Organisation bezeichnet werden.13 INTERPOL ist somit zumindest im Rahmen seiner Aufgaben ein Völkerrechtssubjekt mit Rechten und Pflichten.
Wie oben bereits geschildert, initiiert INTERPOL selbst keine „Notices“. Dies macht ein unmittelbares Vorgehen gegen die Organisation problematisch. Wenn INTERPOL nicht selbst in Rechte eingreift, würde jeglicher Individualrechtsschutz gegen die Organisation ausscheiden.
Die Organisation spielt aber im weiteren Verlauf der Veröffentlichung von „Notices“ eine tragende Rolle: vor einer Veröffentlichung führt INTERPOL eine eigene Prüfung der Anfrage gem. Art. 83 RPD durch.14 Außerdem ergeben sich weitere Anhaltspunkte für die Annahme von eigenem Handeln INTERPOLs daraus, dass die „Notices“ selbst das Potential haben in die persönlichen Rechte der betroffenen Personen einzugreifen. So erkennen viele Mitglieder „Red notices“ als Rechtsgrundlage für Festnahmen an, ohne dass eine nationale Prüfung bzgl. des Erlasses eines Haftbefehls erfolgt.15 Insbesondere aufgrund der oben genannten Verantwortung für die Vereinbarkeit veröffentlichter Daten mit den INTERPOL-Regeln überzeugt es daher nicht, INTERPOL jegliche Zurechnung abzusprechen, auch wenn nationalem Recht bzw. dem nationalen Umgang mit den Maßnahmen ebenfalls eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit „Notices“ zukommt.16
Bei seinem Handeln müsste INTERPOL zudem völkerrechtlichen Verpflichtungen unterliegen, damit die Möglichkeit von Rechtsverletzungen bestehen kann.
Schon an den Formulierungen in menschenrechtlichen Verträgen ist zu erkennen, dass primär die Verpflichtung von Staaten gegenüber Individuen intendiert ist.17 Heute übertragen Staaten aber vermehrt wichtige Kompetenzen auf Internationale Organisationen, so dass auch diese die Möglichkeit haben, in Rechte von Individuen einzugreifen oder diese zumindest einzuschränken (s. o.). Während dies bedeutet, dass Staaten sich auf diese Weise nicht ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen entledigen können,18 ist die Verpflichtungslage der Internationalen Organisationen hinsichtlich ihrer eigenen Akte jedoch unklar.
Bezogen auf die Europäische Union (EU) ist eine bisher einzigartige individualrechtliche, gerichtlich durchsetzbare Verpflichtung insofern (theoretisch) explizit vorgesehen, als eine direkte Beschwerde gegen EU-Organe wegen Verletzungen der EMRK möglich wäre, wenn die EU der EMRK beitreten würde (vgl. Art. 34 i. V. m. Art. 59 Abs. 2 EMRK).
Bei INTERPOL gibt es keine explizite Rechtsgrundlage für eine durchsetzbare Verpflichtung. Jedoch bekennt sich INTERPOL selbst in Art. 2 Abs. 1 ICPO-Constitution zum „Geiste“ der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), trifft jedoch keine weiteren Aussagen zu Verpflichtungen. Diese Formulierung reicht wohl nicht für eine explizite Verpflichtung aus.19 Mangels Eigenschaft als Vertragspartei in menschenrechtlichen Verträgen besteht somit keine unmittelbare Bindung an diese.
Man könnte jedoch aufgrund der Einordnung als Internationale Organisation annehmen, dass die Organisation an Völkergewohnheitsrecht oder zumindest an Ius-cogens-Normen als Mindeststandard menschenrechtlicher Garantien gebunden sei.20 Argumentativ kann man hier einen Vergleich zu menschenrechtlichen Verpflichtungen des Sicherheitsrates der VN im Rahmen seiner Individualsanktionen heranziehen. Eine vergleichbare Situation entsteht hierbei dadurch, dass es sich in beiden Konstellationen um Internationale Organisationen handelt, die durch ihre Maßnahmen in individuelle Rechte eingreifen. Auch die Funktionsweise der Terrorlisten und der „Notices“ ist vergleichbar: bei beiden Organisationen sind Konsequenzen von der jeweiligen Umsetzung durch die Mitglieder abhängig und die Pflege und Veröffentlichung der Listen bzw. „Notices“ wird durch ein Organ der Organisation ausgeführt (Sicherheitsrat und das sog. Sanktionskomitee und die CCF).21
Für den VN-Sicherheitsrat wird aufgrund seiner Eigenschaft als Teilnehmer und Akteur des Völkerrechts insofern angenommen, dass eine Bindung an Völkergewohnheitsrecht bestehe.22 Aufgrund der eben geschilderten Vergleichbarkeit zur VN (bzw. ihres Sicherheitsrats) ergibt sich, ebenso wie für die VN, eine Bindung INTERPOLs als Völkerrechtssubjekt an das Völkergewohnheitsrecht.
Einem anderen Ansatz zufolge bestünde die Bindung an die Menschenrechte dadurch, dass die Mitglieder der Organisation Vertragsparteien von Menschenrechtsverträgen sind.23 Auf der Basis dieses Ansatzes könnte gegebenenfalls sogar von der Geltung der in den jeweiligen Verträgen enthaltenen Möglichkeiten der Individualbeschwerde ausgegangen werden. Eine solche umfassende Verpflichtung ohne Eigenschaft als Vertragspartei oder sonstige Zustimmung erscheint jedoch deutlich zu weit gefasst und würde in die Entscheidungsfähigkeit der Organisation als selbstständiges Völkerrechtssubjekt eingreifen.24
Eine unmittelbare Verpflichtung von INTERPOL zur Wahrung individueller Rechte kann somit nur im Rahmen des Völkergewohnheitsrechts und der Ius-cogens-Normen angenommen werden.
Unter Ius-cogens-Normen fallen auch elementare Menschenrechte, wie das Verbot des Genozids, der Folter, der Sklaverei oder der Rassendiskriminierung.25 Die wichtigsten Folgen der Ius-cogens-Normen sind, dass völkerrechtliche Verträge, die gegen sie verstoßen, als nichtig gelten, dass sie anderen Normen des Völkergewohnheitsrechts vorgehen und erga omnes wirken.26 Sie eröffnen dem Individuum jedoch keine Möglichkeiten des gerichtlichen Vorgehens.
Das Völkergewohnheitsrecht hingegen enthält auch gewisse verfahrensrechtliche Garantien, die für den Rechtsschutz gegen INTERPOL-Maßnahmen Relevanz haben könnten. Beispielhaft zu nennen sind etwa ein Recht auf Anhörung oder auf effektiven Rechtsschutz gegen eingreifende Maßnahmen, wobei schon der gewohnheitsrechtliche Status dieser Rechte umstritten ist.27 Noch schwieriger wird es jedoch, wenn es um das Recht geht, diese prozessualen Rechte auch gerichtlich durchzusetzen. Schon aus den menschenrechtlichen Verträgen (mit Ausnahme der EMRK) gehen keine garantierten Rechtsschutzmöglichkeiten hervor (nur quasi-gerichtliche, s. o.), sodass auch keinesfalls von einer gewohnheitsrechtlichen Garantie ausgegangen werden kann. Somit besteht auf internationaler Ebene keine Garantie der Durchsetzung völkergewohnheitsrechtlicher Standards gegen Maßnahmen Internationaler Organisationen, selbst wenn insoweit eine Bindung besteht.28
Erster Ansatzpunkt für die Durchsetzung von Individualrechten ist der nationale Rechtsweg, dessen Durchlaufen in der Regel auch Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Verfahrens auf internationaler Ebene ist.29
Ein direktes gerichtliches Vorgehen gegen INTERPOL vor nationalen Gerichten im Hinblick auf die Verletzung öffentlich-rechtlicher Normen, wie etwa der deutschen Grundrechte, scheitert jedoch in der Regel schon daran, dass es sich bei INTERPOL, wie oben festgestellt, um eine Internationale Organisation handelt. Die Maßnahmen von INTERPOL unterliegen somit nicht dem nationalen Rechtssystem und es können außerdem grundsätzlich nur Rechtsakte der nationalen öffentlichen Gewalt gerügt werden.30
Es stellt sich somit die Frage, ob dennoch ausreichende Anknüpfungspunkte für die Begründung einer Zuständigkeit nationaler Gerichte gefunden werden können.
Vor deutschen Gerichten könnte eine persönliche Zuständigkeit insofern angenommen werden, als INTERPOL nach französischem Privatrecht aufgrund ihres dortigen Hauptsitzes Rechtspersönlichkeit besitzt und somit zumindest beklagte Partei in einem Zivilprozess sein könnte.31 In anderen Jurisdiktionen wurde sich ebenfalls mit der persönlichen Zuständigkeit befasst: So wurde in einem Verfahren in den USA die fortdauernde Beziehung zwischen INTERPOL und den amerikanischen Behörden als ausreichender Anknüpfungspunkt für eine Zuständigkeit ratione personae angesehen, wobei hier jedoch die Verantwortung INTERPOLs für die mangelnde Beteiligung am Verfahren im Sinne des dortigen Prozessrechts – nicht etwaige materiell-rechtliche Verletzungen durch Akte der Organisation – im Mittelpunkt stand und deshalb auch explizit nicht über eine eventuell bestehende Immunität entschieden werden konnte.32 Dieser andere Schwerpunkt erklärt auch, warum es in einem vorherigen amerikanischen Verfahren zu einer anderen Entscheidung kam und das US-Nationalbüro der nationalen Regierung zugeordnet und eine Zuständigkeit ratione personae bzgl. INTERPOL abgelehnt wurde.33
Bei all diesen Verfahren handelt es sich jedoch um Sachverhalte, die sich vor der Einrichtung der CCF und der internen Kontrollmöglichkeiten ergeben haben, so dass ein grundsätzlicher Verweis der nationalen Gerichte an die Mechanismen von INTERPOL nationale Verfahren nun ohnehin ausschließen könnte.34
Selbst wenn Klagen gegen INTERPOL dennoch als zulässig erachtet würden, könnte evtl. die Immunität der Internationalen Organisation eingreifen, so dass der nationale Klageweg verwehrt wäre.
Rechtsgrundlage einer Immunität können völkerrechtliche Verträge, entsprechende Anlagen zu den Gründungsverträgen der Internationalen Organisation, sog. Sitzstaatabkommen oder gegebenenfalls Gewohnheitsrecht sein.35 Im Rahmen der Immunität INTERPOLs greift keine allgemein anwendbare Immunität aus der ICPO-Constitution oder einem gesonderten Dokument. Stattdessen unterhält INTERPOL mit den Sitzstaaten Frankreich und Belgien gesonderte Abkommen.36
Es stellt sich die Frage, ob INTERPOL in den anderen Mitgliedstaaten gewohnheitsrechtlich Immunität gewährt werden könnte. In der deutschen Staatenpraxis wird dies zumindest für den zentralen Bereich der amtlichen Tätigkeit Internationaler Organisationen angenommen.37 Argumentiert wird hier, dass Internationale Organisationen eine eigene Rechtsordnung bilden würden, die grundsätzlich unabhängig vom nationalen Rechtssystem sei, solange es nicht zu Konflikten und somit zu Eingriffen in das nationale Rechtssystem kommt.38 Jedoch reicht allein die deutsche Praxis nicht aus, um auf eine internationale Staatenpraxis zu schließen. International betrachtet ist diese zu uneinheitlich, um generell eine Immunität Internationaler Organisationen annehmen zu können, aber es gibt immerhin in den Mitgliedstaaten der Organisationen Tendenzen dazu, diese zu gewähren.39
Ein weiterer Argumentationsweg für eine Verweigerung der nationalen Gerichtsbarkeit durch Mitgliedstaaten der Organisation führt über den Pacta-sunt-servanda-Grundsatz aus Art. 26 WVK. Dieser könnte dazu führen, dass es gegen den Gründungsvertrag der Organisation verstoße, eine nationale Klage für zulässig zu erklären, da er eine Verpflichtung enthält, ein Verhalten zu unterlassen, das dem Vertragszweck bewusst zuwiderläuft.40 So kann es im Einzelfall für einen Staat verpflichtend sein, der Organisation Immunität zu gewähren, sollte andernfalls ihre Funktionsfähigkeit bedroht werden.41 Ziele von INTERPOL sind laut Gründungsvertrag zum einen Sicherung und Förderung der größtmöglichen kriminalpolizeilichen, gegenseitigen Unterstützung und zum anderen Bildung und Entwicklung von Institutionen, die der Prävention und Unterdrückung von Straftaten dienen, vgl. Art. 2 ICPO-Constitution. Wenn es nun in den Mitgliedstaaten zu nationalen Klagen gegen Formen dieser Zusammenarbeit, wie etwa die veröffentlichten „Notices“, kommen könnte, droht die Gefahr, dass die Zusammenarbeit insofern behindert wird, als jeder Akt angegriffen werden und so zunächst an Wirkungskraft verlieren könnte, selbst wenn die Klage (materiell) ungerechtfertigt ist. Dies könnte dazu führen, dass die Mitglieder kein Vertrauen mehr in die Akte der Organisation haben und sich möglicherweise weniger beteiligen. Dies könnte letztlich zum Verlust oder zumindest zur Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit von INTERPOL führen.42
Es wäre somit möglich, aus dem Pacta-sunt-servanda-Grundsatz i. V. m. Art. 2 Abs. 1 ICPO-Constitution eine Immunität von INTERPOL herzuleiten, wenn ein Akt der Organisation vor einem nationalen Gericht angegriffen wird.
Festhalten lässt sich somit, dass ein Vorgehen gegen Akte von INTERPOL vor nationalen Gerichten zwar möglich ist, aber zahlreiche Hürden der Zuständigkeit und Zulässigkeit zu überwinden sind, damit es überhaupt zu einer Prüfung möglicher materieller Rechtsverletzungen durch INTERPOL kommen kann.
Wie oben bereits angedeutet, kann eine Unzuständigkeit eines nationalen Gerichts gegebenenfalls dadurch überwunden werden, dass in Rechte von Individuen auf dem jeweiligen Territorium eines Staates eingegriffen wird, das heißt ein Konflikt mit der nationalen Rechtsordnung entsteht, und zudem kein vergleichbarer Rechtsschutz durch die Organisation besteht. Herausgebildet hat sich dieser Argumentationsansatz in der sog. Solange-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.43 Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit der Überprüfung anhand des deutschen Verfassungsrechts bildet jedoch die Übertragung von Hoheitsgewalt durch ein Gesetz gem. Art. 24 Abs. 1 GG.44 Dies ist im Verhältnis zu INTERPOL nicht passiert, so dass alle Hoheitsrechte grundsätzlich bei deutschen Behörden bleiben. Eine direkte Überprüfung der Maßnahmen von INTERPOL ist mangels Ausübung übertragener Hoheitsrechte durch die Organisation nicht möglich.
Eine weitere relevante Möglichkeit für Einzelperson gegen INTERPOL-Maßnahmen, insbesondere „Red notices“, direkt vorzugehen, ist der Weg über die sog. „Red notice challenge“ oder die Wahrnehmung des Auskunftsanspruchs vor der CCF gem. Art. 29 Abs. 1 CCF-Statute.45
Gegenstand der Prüfung können gem. Art. 3 Abs. 1 lit. c CCF-Statute Daten sein, die im INTERPOL-Informationssystem verarbeitet wurden. Wobei „verarbeitet“ gem. Art. 1 Abs. 5 RPD meint, dass mit diesen Daten innerhalb des Systems irgendetwas geschehen ist, wie etwa die Übertragung.
Inhaltlicher Prüfungsmaßstab der „Red notice challenge“ ist allein die Vereinbarkeit mit den INTERPOL-internen Regeln, das heißt insbesondere mit Art. 2 und 3 ICPO-Constitution, aber auch die Genauigkeit und Ausführlichkeit der angegebenen Daten zum Tatvorwurf, aber nicht die inhaltliche Richtigkeit der vorgeworfenen Anklagepunkte oder die Rechtmäßigkeit der zugrundeliegenden nationalen Strafverfolgungsmaßnahmen.46 Voraussetzung für ein derartiges Vorgehen von Einzelpersonen ist somit, dass eine mögliche Verletzung von organisationsinternen Regeln begründet gerügt werden kann und dass überhaupt Kenntnis oder zumindest der Verdacht besteht, dass Daten im INTERPOL-System hinterlegt sind bzw. sein könnten.
Bezüglich der letzten Voraussetzung kann der Auskunftsanspruch der Einzelperson gewichtige Bedeutung haben, in dem „Notices“ zwar nach „Veröffentlichung“ für die nationalen Zentralbüros einsehbar sind, aber nicht zwingend für die allgemeine Öffentlichkeit, das heißt auch nicht für die betroffenen Personen (s. o.). Der Auskunftsanspruch unterliegt grundsätzlich der Zustimmung des ursprünglich anfragenden nationalen Zentralbüros als Inhaber der Information gem. Art. 35 Abs. 2 CCF-Statute. Wenn dieses die Preisgabe der Informationen verweigert, teilt INTERPOL der betroffenen Person – wenn überhaupt – den Kontakt der Datenquelle mit.47 Eine Auskunft an Betroffene erfolgt auch dann nicht, wenn keine der in Art. 35 Abs. 3 CCF-Statute genannten Gründe angeführt werden, kann aber gegebenenfalls bei der weiteren Beurteilung berücksichtigt werden.48
Sollte es der Einzelperson auf dem Wege der „Red notice challenge“ gelungen sein, dass eine Unvereinbarkeit mit den INTERPOL-Regeln durch die CCF festgestellt wird, so steht am Ende eine entsprechende, zu begründende Entscheidung dieser, welche gem. Art. 32 Abs. 1, 19 Abs. 4 CCF-Operating Rules i. V. m. Art. 41 Abs. 3 CCF-Statute an das Generalsekretariat und den Anfragenden weitergeleitet wird.49 Dem Generalsekretariat obliegt daraufhin die Umsetzung der Entscheidung, das heißt gegebenenfalls die Löschung der Daten, wobei grundsätzlich der Entscheidung der CCF zu folgen ist.50 In Streitfällen kann jedoch gem. Art. 27 Abs. 5 CCF-Statute eine Vorlage an das Executive Committee erfolgen. Sollte auch hierdurch keine Einigung erzielt werden, kann gegebenenfalls sogar die Generalversammlung gem. Art. 135 RPD eingeschaltet werden.51 Zu beachten ist jedoch, dass die nationalen Behörden weder an Entscheidungen der CCF noch des Generalsekretariats bzgl. der Löschung in eigenen Datenbanken gebunden sind (vgl. Art. 38 Abs. 1 CCF-Statute: Beschränkung der Bindung auf Organisation und Anfragenden). Andere Mitglieder, die Zugang zu der Information hatten, werden gem. Art. 41 Abs. 4 CCF-Statute lediglich über die Löschung bzw. Änderung informiert, ohne dass sich daraus für sie verpflichtende Folgen ergeben. So kann es passieren, dass zwar die Veröffentlichung im INTERPOL-System zurückgenommen wurde, die Daten aber noch immer bei diversen nationalen Behörden gespeichert sind und gegebenenfalls Rechtsfolgen auslösen können.52
Somit ist diese Art des Rechtsschutzes mangels ausreichender Verbindlichkeit für die Mitglieder der Organisation nur bedingt effektiv. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass gegebenenfalls nicht einmal Kenntnis über die bei INTERPOL hinterlegten Daten erlangt werden kann, was eine Rüge zusätzlich erschwert oder sogar unmöglich macht.
Im System der zahlreichen Menschenrechtsverträge der Vereinten Nationen (VN) hat die Einzelperson zumindest unter bestimmten Verträgen die Möglichkeit, selbst Beschwerden gegen Vertragsstaaten wegen eventuellen Rechtsverletzungen einzulegen.53 Wie bereits geprüft, können sich Rügen zwar nicht auf das originäre Handeln der Organisation beziehen, aber gegebenenfalls auf Umsetzungsakte und die Beteiligung von Vertragsstaaten der jeweiligen Menschenrechtsverträge. Ausführungen über weitere menschenrechtliche Verträge und etwaige Rechtsschutzmöglichkeiten abseits der EMRK würden hier zu weit führen, weshalb diese quasi-gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten hier nicht eingehender thematisiert werden.
Im Rahmen des Unionsrechts können Betroffene nicht selbstständig gerichtlich gegen Rechtsverletzungen vorgehen. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes könnte jedoch durch eine Vorlage des jeweiligen nationalen Gerichts gem. Art. 267 AEUV erreicht werden.54
Diese Möglichkeit könnte besonders mit Blick auf Anforderungen an den Datenschutz im Unionsrecht und das INTERPOL-System Brisanz haben. Eine Behandlung dieser spannenden Thematik würde hier aber ebenfalls zu weit führen.
Der Fokus liegt somit auf Beschwerden vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), dessen Zuständigkeit alle Vertragsstaaten der EMRK unterliegen (Art. 19 EMRK), und auf dem Zugang des Individuums zu dieser Beschwerdemöglichkeit bzgl. INTERPOL-Maßnahmen, wie einer „Red notice“. Explizit vorgesehen ist diese Möglichkeit der Individualbeschwerde gem. Art. 34 EMRK.
Wie bereits deutlich geworden ist, gestaltet es sich äußerst schwierig, direkt gegen Maßnahmen INTERPOLs vorzugehen. Jedoch setzt sich INTERPOL aus der Mitgliedschaft von 196 Staaten bzw. ihrer Behörden zusammen, welche ihrerseits menschenrechtliche Verpflichtungen haben.55 Wenn nun eine Organisation, der sie angehören, Maßnahmen ergreift, die EMRK-widrig sein könnten, könnten Betroffene erwägen, neben dem direkten Vorgehen gegen INTERPOL eine Verletzung ihrer Rechte durch den jeweiligen Staat auf Basis seiner INTERPOL-Mitgliedschaft zu rügen.
Selbst bei Verbindlichkeit der Organisationsentscheidungen für die Mitgliedstaaten sei eine grundsätzliche Entbindung der umsetzenden Staaten von ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nicht gerechtfertigt.56
Zunächst müsste die EMRK auf die Konstellationen der INTERPOL-Maßnahmen überhaupt anwendbar sein, das heißt Personen betreffen, die der Hoheitsgewalt der Konventionsstaaten unterstehen, Art. 1 EMRK.
Wichtigster Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit ratione loci ist das Stattfinden der möglichen Verletzung auf dem Territorium eines Vertragsstaates, gegebenenfalls aber auch unabhängig davon, solange eigene effektive Hoheitsgewalt ausgeübt wird.57
Bei einem Vorgehen Betroffener gegen eine nationale Implementierungsmaßnahme einer Entscheidung der Internationalen Organisation, gestaltet sich die Begründung der Ausübung eigener Hoheitsgewalt der Staaten jedoch schwierig. Bei der Handhabung dieser Fälle hat sich in der Rechtsprechung des EGMR eine Unterscheidung anhand der Verbindlichkeit der Entscheidungen von internationalen Organisationen herausgebildet, die darüber entscheidet, über welchen Weg eine Anwendbarkeit und somit Verpflichtung der Mitgliedstaaten hergeleitet werden kann.
Zuerst könnte als Ausnahme von der grundsätzlichen Unzulässigkeit eines Vorgehens gegen Akte Internationaler Organisationen eine Zurechnung zu den Mitgliedstaaten aufgrund der grundsätzlich zulässigen Kompetenzübertragung auf die Organisation angenommen werden, wobei jedoch maßgeblich sei, dass Betroffene auch auf anderem Wege vergleichbaren, effektiven Rechtsschutz erlangen könnten (‚equivalent protection‘).58 Die Konventionsstaaten wären dann zumindest dafür verantwortlich, dass die Organisation, in der sie Mitglied sind, vergleichbaren Rechtsschutz bereitstellt.59
Die Entwicklung und weitere Anwendung der sog. Equivalent-protection-Formel geht auf mehrere Urteile des EGMR, bezogen auf verschiedene Akte der EU bzw. ihr zugehörige andere Organisationen, zurück.60 Vorher fanden sich ähnliche Ansätze schon in der Rechtsprechung nationaler Gerichte wieder (vgl. etwa die obigen Ausführungen zur Solange-Rechtsprechung). Auffällig ist jedoch, dass es grundsätzlich um Konstellationen im Zusammenhang mit Unionsrecht bzw. der EU ging.
Mit vergleichbarem Rechtsschutz meint der EGMR, dass zwar ähnlicher – aber nicht identischer – substantieller und prozessualer Rechtsschutz fundamentaler Rechte, wie der, der in der EMRK enthalten ist, durch die Organisation gewährleistet sein muss.61 Beurteilt werden soll dies anhand der Qualität des zur Verfügung stehenden Rechtsschutzes insgesamt, das heißt etwa auch, ob Vorlagen an andere Gerichte (z. B. an den Gerichtshof der Europäischen Union) möglich sind und erfolgen.62 Weiterer Anhaltspunkt für die Anforderungen an vergleichbaren Rechtsschutz könnten zudem die Erfordernisse nach Art. 6 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren) sein.63
Die Rechtsprechung des EGMR lässt zwar eine Anwendbarkeit der Equivalent-protection-Formel auf andere Internationale Organisationen (explizit die VN) offen, positioniert sich aber nicht eindeutig, sondern legte vorwiegend den Fokus auf ermessensbestimmtes (Implementierungs-)Verhalten der Konventionsstaaten.64 Zumindest theoretisch stünden einer Übertragung aber keine Hindernisse entgegen.65
Maßgebliche Voraussetzung der Anwendbarkeit ist, ob den Staaten bezüglich der Maßnahmen der Internationalen Organisation ein eigener Handlungs- bzw. Ermessensspielraum verbleibt. Sollte dies der Fall sein, greife nicht die begrenzte Verantwortlichkeit der Konventionsstaaten, sondern eine vollständige Zurechnung für etwaige Verletzungen der EMRK-Rechte durch die Art der Umsetzung.66 Die Equivalent-protection-Formel kommt dann nicht zur Anwendung.
In der Rechtsprechung des EGMR zeigt sich bei der Beurteilung, ob den Staaten noch ein Handlungsspielraum offengelassen wurde, eine Tendenz die Staaten in die volle Verantwortung für etwaig fehlerhafte Auslegung zu nehmen, solange die Akte der Organisation entsprechendes Handeln im Sinne der EMRK nicht unmissverständlich ausschließen.67
In der ICPO-Constitution finden sich keinerlei Regelungen zur Verbindlichkeit von Entscheidungen der Organe, sodass diese auch nicht anzunehmen ist. Bzgl. der Implementierung von „Red notices“ wird nur davon gesprochen, dass nach erfolgreicher Lokalisierung einer gesuchten Person Maßnahmen ergriffen werden sollen („should“), die den nationalen und internationalen Regelungen entsprechen und das ersuchende nationale Zentralbüro informiert werden solle, Art. 87 (a) (i), (ii) RPD. Die Staaten, in denen sich gesuchte Personen befinden, haben somit keine Verpflichtung zum Tätigwerden. Wenn sie es dennoch tun, sind nationale Regelungen anzuwenden. Ihnen wird also bei der Implementierung ein großer Handlungsspielraum eröffnet. Die Anerkennung eines „Red notices“ als ausreichende Rechtgrundlage für eine Festnahme einiger Staaten (s. o.) geschieht somit freiwillig und nicht aufgrund einer internationalen Verpflichtung, die ihr Verhalten determiniert.
Mangels Verbindlichkeit der Maßnahmen von INTERPOL für seine Mitglieder ist die Equivalentprotection-Formel nicht anwendbar, wenn auch inhaltlich betrachtet gegebenenfalls kein vergleichbarer Rechtsschutz in ihrem Sinne besteht. Die jeweiligen Umsetzungsakten der Staaten können grundsätzlich in vollem Umfang an der EMRK gemessen werden.
Somit ist der zweite Weg der Zurechnung zur Hoheitsgewalt der Staaten – u.a. entwickelt in der Boivin-Entscheidung – einschlägig, welcher über das direkte oder indirekte Eingreifen der Mitgliedstaaten in Entscheidungen der internationalen Organisation oder die jeweiligen Umsetzakte als Anknüpfungspunkte für die Ausübung eigener Hoheitsgewalt (das heißt vor allem Ermessensausübung) führt.68 So werde etwa schon durch freiwilligen Beitritt zu enthaltenen Instrumenten eines Vertrags durch einen Konventionsstaat eine Verantwortlichkeit ausgelöst. Als Folge hätte er dann die Pflicht, die EMRK-Rechte der seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Personen praktisch und effektiv zu sichern, auch im Hinblick auf mögliche Konventionsverletzungen bei der Nutzung der Instrumente durch die Vertragsorgane.69 Eine unmittelbare Prüfung des Handelns der Organe der Organisation ist hier aber mangels deren Eigenschaft als Vertragspartei der EMRK nicht möglich.70
Hinzu kommt eine Pflicht der Staaten, Akte der Organisation konventionskonform umzusetzen, das heißt sie gerade so auszulegen, dass alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um EMRK-Rechte nicht zu verletzen.71
Neben der Verpflichtung der Staaten zur unmittelbaren Beachtung bei entsprechenden Umsetzungsakten, wie der Festnahme oder Inhaftierung aufgrund eines „Red notice“, das Verbot der Folter unmittelbar zu achten, können diese Rechte insbesondere im Kontext einer Auslieferung an Nicht-Konventionsstaaten relevant werden.
Art. 87 (c) RPD erwähnt explizit, dass nach der Lokalisierung einer mit einem „Red notice“ gesuchten Person eine Auslieferung im Einklang mit nationalen Gesetzen und internationalen Verträgen an den anfragenden Staat möglich sei und gegebenenfalls auch durch das Generalsekretariat unterstützt werden könne. Hierbei könnten nun Verpflichtungen aus Art. 3 EMRK (Verbot der Folter) bei der Ausübung des Ermessens der Staaten relevant werden. Die Konventionsstaaten haben zumindest dann eine Verpflichtung, wenn ein tatsächliches Risiko der Verletzung dieser Rechte im Empfangsstaat droht (Prinzip des Non-refoulement).72 Die Übergabe an den Empfangsstaat, also den anfragenden Staat des „Red notices“, wird hierbei als unmittelbar zurechenbare Handlung gesehen, die eine Unterlassungspflicht begründet.73 Aufgrund eines „Red notices“ ausliefernde Konventionsstaaten haben daher die Verantwortung, vorher eine eigene Prüfung des dortigen Risikos für die Betroffenen vorzunehmen und gegebenenfalls nicht auszuliefern, sollte es tatsächliche Anhaltspunkte für ein solches Risiko geben. Dies erlegen die INTERPOL-Regeln ihren Mitgliedern auch explizit auf, indem eine Vereinbarkeit der Auslieferung mit internationalen Verträgen hervorgehoben wird, vgl. Art. 87 (c) RPD.
Die Regelungen des INTERPOL-Systems sind insofern kompatibel mit der EMRK.
Eine weitere im Rahmen des INTERPOL-Systems relevante Garantie könnte das Recht der Betroffenen auf Achtung des Privatlebens gem. Art. 8 Abs. 1 EMRK sein. Der Begriff „Privatleben“ ist nicht abschließend definiert, umfasst aber Aspekte der physischen und psychischen Integrität und der Identität der Person.74 Im Rahmen von INTERPOL sind diejenigen geschützten Inhalte des Rechts von Interesse, die sich auf persönliche Daten beziehen. Denn der Schutz dieser und der informationellen Selbstbestimmung ist grundsätzlich ebenfalls unter das „Privatleben“ zu fassen.75
Die Einspeisung von persönlichen Daten im INTERPOL-System und die darauffolgende Verarbeitung könnten das Recht auf Achtung des Privatlebens verletzen, sofern es sich nicht um Eingriffe handelt, die nach Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt sind.
Eingriffe können schon die Weitergabe durch staatliche Stellen oder die bloße Speicherung ohne Zustimmung sein, insbesondere bei Fingerabdrücken oder DNS-Profilen, selbst in Strafverfolgungskonstellationen.76 Um etwa „Notices“ zu veröffentlichen, ist notwendigerweise die Weitergabe der persönlichen Daten der gesuchten Person erforderlich und gegebenenfalls weiterführender Akten.
Dieser Eingriff könnte jedoch gem. Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt sein, sofern er gesetzlich vorgesehen ist und einen legitimen Zweck verfolgt. In Deutschland ist die Möglichkeit der Übermittlung von Daten an INTERPOL beispielsweise in § 27 Abs. 5 Bundeskriminalamtgesetz gesetzlich verankert.77 Dies dürfte auch grundsätzlich einem legitimen, in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zweck dienen, nämlich der nationalen Sicherheit und Verhütung von Straftaten. Die darauffolgende Verarbeitung, nachdem die Daten einmal übermittelt wurden, könnte jedoch ungerechtfertigt sein, sobald eine unbefristete Speicherung von Daten nicht verurteilter Personen und eine Nutzung über den erforderlichen Zweck hinaus stattfinden kann.78 Die Konventionsstaaten haben folglich als Verantwortliche für das einstellende nationale Zentralbüro auch die Pflicht, gegebenenfalls eine Löschung zu veranlassen, sobald die Erforderlichkeit entfällt, um einen ungerechtfertigten Eingriff auszuschließen. Zwar werden nach Veranlassung der Löschung von „Red notices“ durch das Generalsekretariat auch die zugehörigen persönlichen Daten aus dem INTERPOL-System entfernt, jedoch können die Daten auch weiterhin bei anderen Mitgliedern gespeichert sein und genutzt werden (s. o.). Somit könnte die gerechtfertigte Einspeisung von Daten ein Anknüpfungspunkt für eine Verletzung sein. Die Daten werden letztlich quasi weltweit polizeilichen Behörden zur freien Verfügung bereitgestellt, was weder durch INTERPOL noch die Informationsquellen verbindlich unterbunden werden kann, auch nachdem die gesuchte Person vor Gericht gestellt wurde und gegebenenfalls nicht verurteilt wurde.
Die Art der Datenverarbeitung im INTERPOL-System ist daher nicht mit Art. 8 EMRK kompatibel.
Insbesondere in Anbetracht dieser Inkompatibilität stellt sich nun die Frage, ob auf ihr beruhende Konventionsverletzungen durch die umsetzenden bzw. initiierenden Staaten zumindest konventionsgemäß, das heißt in einem fairen Verfahren, durch Betroffene gerügt werden können.
Anders als im Rahmen der Equivalent-protection-Formel können die Anforderungen an die Gewährleistung eines fairen Verfahrens gem. Art. 6 Abs. 1 EMRK nun uneingeschränkt auf die Verpflichtung der Mitgliedstaaten bezüglich ihrer Umsetzung von INTERPOL-Maßnahmen und ihrer freiwilligen Teilnahme am INTERPOL-System angewendet werden. Den bisherigen Ausführungen zum Verpflichtungsumfang entsprechend, haben die Konventionsstaaten durch ihren freiwilligen Beitritt zur Organisation und ihren Mechanismen die Pflicht, ein faires Verfahren für die ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Personen zu gewährleisten, auch wenn die Verletzungen gegebenenfalls auf Maßnahmen der Organisation basieren.
Der Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 EMRK erstreckt sich sowohl auf Streitigkeiten bzgl. zivilrechtlicher Ansprüche und Verpflichtungen als auch auf strafrechtliche Anklagen, wobei diese jedoch im Sinne der EMRK und nicht des nationalen Verständnisses auszulegen sind.79
Unter einer strafrechtlichen „Anklage“ ist daher nicht nur die förmliche Anklage zu verstehen, sondern auch alle anderen vorherigen Maßnahmen, durch die einer Person verdeutlicht wird, dass gegen sie ein strafrechtlicher Verdacht besteht, und welche ihre Lage verändern.80 Maßnahmen ohne Außenwirkung würden als „Anklage“ ausscheiden.81 Außenwirkung meint hierbei etwa, ob ein Ermittlungsverfahren mit entsprechenden Tätigkeiten bereits eingeleitet wurde.82 Hierunter dürfte es daher auch fallen, wenn ein Staat eine Person auf Grundlage eines „Red notices“ zur öffentlichen Fahndung ausschreibt, einen Haftbefehl erlässt oder eine Festnahme durchführt, indem dies große Auswirkungen auf die Lage des Betroffenen hat. Gegen nationale Strafverfolgungsmaßnahmen stehen den Betroffenen nun grundsätzlich die nationalen Rechtsmittel offen.83
Hinzukommen könnte eine Verantwortung durch die Nutzung des Instruments der „Red notices“ für eigene Fahndungsersuchen nach Personen, die der Hoheitsgewalt unterstehen. Dieses Verhalten könnte als praktische Weiterführung der innerstaatlichen „Anklage“ betrachtet werden, zu der sich nach Ermessen der jeweiligen Behörde(n) entschieden wurde. Diese Nutzung könnte wiederum, wenn gegen den „Red notice“ kein faires Verfahren möglich ist, gegen Art. 6 EMRK verstoßen. Dies erscheint auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des EGMR möglich, in der sich der Gerichtshof auch im Rahmen der Nutzung von Vertragsinstrumenten für eine effektive Gewährleistung der Rechte der Konvention positioniert hatte, zumindest, solange diese ähnliche Auswirkungen wie nationales Recht hat.84
Um beurteilen zu können, ob Art. 6 EMRK bereits gewährleistet ist, müssen die Anforderungen des Artikels näher bestimmt werden.
Zunächst lässt sich aus Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK eine zugrundeliegende Garantie eines „Recht[s] auf ein Gericht“ entnehmen, das heißt, dass ein zuständiges Gericht überhaupt zur Verfügung steht.85 Ein Vorgehen vor nationalen Gerichten steht den Betroffenen eines „Red notices“ jedoch in der Regel nicht offen (s. o.), soweit die Zuständigkeit abgelehnt wird. Geht es um zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen, geht der EGMR sogar von einem Recht auf effektiven Zugang zu einem Gericht aus.86
In Betracht kommt bereits die CCF als „Gericht“ zu werten, vor dem ein faires Verfahren möglich sein könnte, und somit von einer ausreichenden, konventionskonformen Bereitstellung durch die Konventionsstaaten auszugehen.
Die Konvention stellt diesbezüglich Anforderungen sowohl an die Struktur und Zusammensetzung als auch an die Arbeitsweise. Zunächst muss es, wie in Art. 6 Abs. 1 EMRK explizit festgeschrieben, unabhängig und unparteilich sein. Faktoren im Rahmen der Unabhängigkeit können etwa der Schutz vor äußerer Einflussnahme und die Art und Weise der Ernennung und Amtszeit der Mitglieder sein.87 Bezüglich der CCF finden sich zahlreiche Stellen in den INTERPOL-Regeln, die all diese Anforderungen explizit festhalten: Zum einen wird die CCF gem. Art. 36 S. 1 ICPO-Constitution und Art. 4 f. CCF-Statute explizit als unabhängiges Organ errichtet, zum anderen werden die Mitglieder in geheimer Wahl durch die Generalversammlung für erst einmal fünf Jahre gewählt (Art. 9 Abs. 1, Abs. 4, 10 Abs. 1 CCF-Statute). Auch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Mitglieder wird explizit in Art. 11 und 12 CCF-Statute verankert, die sowohl eine äußere Beeinflussung als auch eine Teilnahme an Fällen, in denen die Unparteilichkeit gefährdet ist, ausschließen sollen. Zudem kann eine Absetzung von Mitgliedern der CCF grundsätzlich nur in Zusammenarbeit zwischen Executive Committee und der CCF selbst geschehen. So sind zumindest die Anforderungen an die Zusammensetzung und Organisationsstruktur eines Gerichts durch die CCF erfüllt.
Anderes könnte hingegen für den Ablauf des Verfahrens vor der CCF gelten.
Art. 6 EMRK umfasst auch das Recht auf persönliches Gehör, zumindest in erster Instanz und im Rahmen einer umfassenden sachlichen und rechtlichen Würdigung.88 Bei einer Anfrage bei der CCF steht jedoch gem. Art. 36 CCF-Statute das schriftliche Vorbringen im Fokus. Anhörungen sind nur ausnahmsweise vorgesehen, wenn die Request Chamber dies als erforderlich einordnet. Jedoch entscheidet die CCF explizit nur über Fragen der Vereinbarkeit mit Regeln der Organisation, also über Rechtsfragen, und nicht über die Faktenlage oder sogar die Unschuld des Betroffenen. Hier kann eine Anhörung daher entbehrlich sein.89 Diese Entbehrlichkeit schlägt ebenso auf die Verkündung der Entscheidung durch die CCF durch, da die CCF keine tatsächlichen Urteile über materielles Recht fällt.
Fraglich ist jedoch, ob die mangelnde Effektivität von Entscheidungen der CCF90 überhaupt den Anforderungen an das Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens genügen kann. So müssen Entscheidungen von „Gerichten“ im Sinne von Art. 6 EMRK verbindlichen Charakter haben und dürfen nicht durch Entscheidungen nicht-gerichtlicher Organe beseitigt werden können.91 Hierbei spielt es auch eine Rolle, ob das „Gericht“ anhand aller relevanten Fakten entscheiden kann und nicht in seiner Entscheidungsfähigkeit begrenzt ist.92
Nach Art. 38 Abs. 1 CCF-Statute sind die Entscheidungen der CCF für die Verfahrensbeteiligten, das heißt die Organisation und die betroffene Person verbindlich, sodass diese Voraussetzung erfüllt ist. Es müsste zudem eine Umsetzung der Entscheidung erfolgen. Dies ist zwar grundsätzlich vorgesehen, indem das Generalsekretariat den Entscheidungen der CCF Folge leisten soll; jedoch kann in Konfliktfällen eine Vorlage an das Executive Committee und gegebenenfalls auch die Generalversammlung erfolgen.93 Beim Executive Committee findet eine Wahl der Mitglieder durch die Generalversammlung statt, welche jedoch anders als bei der CCF nicht geheim ist (vgl. Art. 17, 19 ICPO-Constitution). Sie sollen zwar gem. Art. 21 ICPO-Constitution in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Vertreter der Organisation, nicht der Länder, sein, doch finden sich keine weiteren Vorschriften zur Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit. Noch weiter entfernt von einer Einordnung als unabhängiges und unparteiliches Organ ist die Generalversammlung, der in besonders konfliktreichen Fällen die Letztentscheidung über das Verhalten des Generalsekretariats obliegt, da die Auswahl der Länderdelegation hier allein durch die Mitglieder passiert (Art. 6 ICPO-Constitution) und sich keine Erwähnung zu einer Unabhängigkeit findet. Es handelt sich somit um ein Gremium, das von politischen Einflüssen aus den jeweiligen Mitgliedstaaten nicht geschützt ist.
Im Rahmen der Implementierung von Entscheidungen kann die CCF also einem politisch geprägten, nicht-gerichtlichen Organ unterstehen.
Eine Umsetzung der Entscheidungen, wie es Art. 6 EMRK fordert, kann somit durch die CCF nicht garantiert werden. Der Zugang zur CCF ist folglich nicht mit dem zu einem Gericht gleichzusetzen.
Der Mangel eines zuständigen nationalen Gerichtes im Hinblick auf durch den vom jeweiligen Konventionsstaat genutzten „Red notice“ könnte deshalb einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 EMRK begründen, sofern eine Zuständigkeit tatsächlich verneint wird.
Dies könnte jedoch bezogen auf die mögliche Berufung auf die Immunität zulässig sein, wenn diese ein legitimes Ziel ist, das im Verhältnis zum Mittel (also der Verweigerung) steht.94 Eine Verhältnismäßigkeit liegt zumindest bei einem anderen verfügbaren Rechtsschutzmechanismus vor.95 So gelangt man wieder zum oben geschilderten Vorgehen vor der CCF. Wie dort ausgeführt, ist dieses Verfahren jedoch mangels verpflichtender Durchsetzungskraft nicht immer geeignet, die Rechte der Betroffenen tatsächlich zu schützen.
Eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK liegt vor, solange die Zuständigkeit nationaler Gerichte durch die jeweiligen Konventionsstaaten verweigert wird, indem bisher keine vergleichbaren, organisationsinternen Gerichte bzw. Tribunale bereitstehen.
Abseits der wenig effektiven Möglichkeit einer Beschwerde direkt über INTERPOL bleibt den mit einem „Red notice“ gesuchten Personen keine Möglichkeit, unmittelbar gegen diese Maßnahme und die Organisation vorzugehen, weder auf nationaler noch internationaler Ebene. Einzige indirekte Möglichkeit sich gegen einen „Red notice“ oder immerhin gegen seine nationalen Folgen für die individuellen Rechte zu wehren, bleibt der Weg über die Verpflichtungen der einzelnen Konventionsstaaten im Zusammenhang ihres Handelns im INTERPOL-System, welches – wie oben dargestellt – sowohl in Bezug auf Art. 6 EMRK als auch Art. 8 EMRK nicht kompatibel mit den Garantien der Konvention ist.
Nachfolgend wird dargestellt, welche völkerrechtlichen Folgen sich aus Entscheidungen des EGMR zu den oben thematisierten Problematiken im Zusammenhang mit dem INTERPOL-System ergeben könnten.
Zunächst enthalten Entscheidungen des EGMR grundsätzlich keine konkreten Angaben dazu, wie ihre Umsetzung durch den jeweiligen Staat auszusehen hat.96 Auch Art. 46 Abs. 1 EMRK, der die Verbindlichkeit für den jeweiligen Konventionsstaat festschreibt, enthält hierzu keine weiteren Angaben, weshalb auf die allgemeinen völkerrechtlichen Pflichten nach Feststellung eines Verstoßes zurückzugreifen ist: die Pflicht zur Beendigung des Verstoßes, zur Leistung von Wiedergutmachung, zur Leistung von Genugtuung und zur Vorbeugung von Wiederholungen des Verstoßes.97 Zunächst hat der Staat somit die Verletzung zu beenden und Maßnahmen zu treffen, um sein nationales System entsprechend dem Urteil den Anforderungen der EMRK anzupassen. Konkret könnte dies im Zusammenhang mit INTERPOL bedeuten, sich für die Löschung nicht mit Art. 8 EMRK kompatibler Daten einzusetzen und im Sinne der Verhinderung weiterer Konventionsverletzungen zunächst die Weitergabe an das INTERPOL-System zu stoppen, bis ein Mechanismus bereitsteht, der verhindert, dass Daten für unbegrenzte Zeit durch die anderen nationalen Zentralbüros gespeichert werden können.
In Bezug auf Art. 6 EMRK sollte ein verurteilter Konventionsstaat es betroffenen Personen ermöglichen, Zugang zu nationalen Gerichten zu erhalten, wenn er einen „Red notice“ bei INTERPOL diese Person betreffend zur Fahndung nutzt.
Des Weiteren muss er bei einer möglichen Auslieferung einer gesuchten Person die Funktion von Art. 3 EMRK als Auslieferungshindernis berücksichtigen, wenn entsprechende Anhaltspunkte vorgebracht werden. Zudem wird etwa bei Resolutionen des Sicherheitsrates, die, wie oben gezeigt, durchaus mit INTERPOL-Maßnahmen vergleichbar sind (mit Ausnahme der Verbindlichkeit), angenommen, dass Staaten verpflichtet sind, sich für eine Person einzusetzen, wenn diese zu Unrecht von Maßnahmen der Resolution betroffen wäre. Sollte eine gegen die Verpflichtungen aus der Konvention verstoßende Resolution dennoch durch einen Konventionsstaat verabschiedet werden, so hätten die Staaten gegebenenfalls auch die Verpflichtung diese nicht zu implementieren.98 Übertragen auf das INTERPOL-System könnte dies etwa bedeuten, dass bei „Red notices“ auch von Seiten der Staaten, nicht nur durch INTERPOL selbst, darauf zu achten ist, dass diese regelkonform und nicht willkürlich veröffentlicht werden. Wenn dies dennoch geschieht, könnten sie dann außerdem verpflichtet sein, keine Umsetzungsakte, wie etwa eine Festnahme, vorzunehmen.
Sollte sich hieran nicht gehalten werden, enthält die EMRK zwar kein Sanktionssystem, sieht aber zumindest eine Überwachung durch das Ministerkomitee gem. Art. 46 Abs. 2 EMRK vor. Dessen Empfehlungen genießen unter den Konventionsstaaten zumindest politische und amtliche Autorität.99
Diese Folgen ergeben sich jedoch grundsätzlich nur für die Konventionsstaaten, gegen die tatsächlich ein erfolgreiches Verfahren durch Betroffene erwirkt wurde. Für andere Konventionsstaaten, die ebenfalls INTERPOL-Mitglied sind, könnte sich zusätzlich eine Orientierungswirkung oder sogar bei parallelen Fällen eine Erga-omnes-Wirkung ergeben.100
Somit könnten sich bei erfolgreichen Klagen vor dem EGMR Verhaltenspflichten und auch Orientierungswirkungen für die verurteilten Staaten im Zusammenhang mit dem INTERPOL-System ergeben.
INTERPOL selbst hingegen kann weder Partei vor dem EGMR sein, noch zu etwas verpflichtet werden, da kein unmittelbares Vorgehen gegen die Organisation möglich ist. Die einzige spürbare Folge für die Organisationen könnte eine Veränderung des Verhaltens der Mitglieder im Umgang mit den „Notices“ aufgrund ihrer eigenen Verpflichtungen sein. Diese hätten dann auch die Möglichkeit, innerhalb der Organisation auf eine stärkere Achtung der Menschenrechte hinzuwirken, um nicht gegen ihre Verpflichtungen verstoßen zu müssen, wenn sie sich an Maßnahmen der Organisation beteiligen oder diese umsetzen. Ein Bestreben der Organisation, solch einer Entwicklung wohl nicht entgegenstehen zu wollen, zeigte sich bereits daran, dass die CCF mit zugehörigem Statut eingerichtet wurde. Dieses Statut hat zumindest den bei INTERPOL direkt verfügbaren Rechtsschutz wesentlich gestärkt und dem eines Gerichts angeglichen (vgl. etwa die umfassenden Regelungen zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit), wenn die Standards auch noch nicht in allen Punkten den Anforderungen des Art. 6 EMRK genügen.
Ein direktes Vorgehen gegen INTERPOL-Maßnahmen durch die betroffenen Personen auf internationaler Ebene scheidet aus, weil schon keine durchsetzbaren, menschenrechtlichen Verpflichtungen von INTERPOL hergeleitet werden. Anderes gilt jedoch für das Verhalten der Konventionsstaaten im Zusammenhang mit der Umsetzung und der Beteiligung an dem INTERPOL-System, das über die Zurechnung zu den Konventionsstaaten überprüfbar bleibt.
Im Rahmen dieser Handlungen sollten den Individuen grundsätzlich auch die nationalen Klagewege offenstehen. Dies gilt aktuell zumindest für die nationalen Umsetzungsmaßnahmen, gegen die ohnehin nationale Rechtsbehelfe bestehen, aber nicht für die Nutzung von „Red notices“ durch die Konventionsstaaten, welche – wie oben ausgeführt – grundsätzlich nicht durch ein Gericht und ein faires Verfahren überprüft werden können.
Einzig verbleibende, aber nicht gerichtliche, Möglichkeit direkt gegen INTERPOL-Maßnahmen vorzugehen, bleibt ein entsprechendes Verfahren vor der CCF, welches aber, wie oben gezeigt, gegebenenfalls nicht effektiv ist und zudem nur eine Prüfung der Vereinbarkeit mit INTERPOLs eigenen Regeln umfasst.
Dies ist auch die einzige Möglichkeit für Betroffene, die nicht der Hoheitsgewalt eines Konventionsstaats unterliegen.
Das INTERPOL-System hat Auswirkungen auf verschiedene EMRK-Rechte. Während das Verbot der Folter als Auslieferungshindernis vor allem durch vorrangiges Verhalten der Konventionsstaaten verletzt werden könnte, werden das Recht auf Achtung des Privatlebens und ein faires Verfahren/Rechtsschutz in erster Linie durch das INTERPOL-System selbst verletzt, können aber letztlich dennoch mit einigem Begründungsaufwand den Staaten zugeordnet werden. Eine direkte Beurteilung der Kompatibilität des Verhaltens von INTERPOL mit der EMRK ist mangels Anwendbarkeit dieser auf die Organisation nicht möglich. Zumindest ist das Verhalten der Staaten im Zusammenhang mit dem System nicht mit allen Garantien der EMRK vereinbar, was den Schutz persönlicher Daten und das Recht auf ein Gericht betrifft.
Betroffene von „Red notices“ oder auch anderen in die Menschenrechte eingreifenden Maßnahmen haben (bzw. sollten) bei entsprechenden Urteilen des EGMR zwar gewisse gerichtliche Möglichkeiten (haben) ihre Rechte zu verteidigen, doch sind diese punktuell auf Verhalten der Konventionsstaaten beschränkt.
Somit ergeben sich Nachteile auf Kosten des individuellen Rechtsschutzes dadurch, dass die Löschung eines „Red notices“ und der zugehörigen Daten bei INTERPOL selbst nicht durch den EGMR (oder später gegebenenfalls nationale Gerichte) veranlasst werden kann, sondern nur eine Verpflichtung des jeweiligen Staates besteht, diese einzufordern. Völlig dem Zugriff entzogen ist außerdem die Löschung vorhandener Daten aus dem INTERPOL-System in anderen Staaten. Somit kann sich zwar bei erfolgreichem Vorgehen gegen die Implementierung der INTERPOL-Maßnahmen im jeweiligen Staat die Situation der Betroffenen verändern, aber im Ausland und durch die Organisation selbst verursachte Eingriffe können so nicht beseitigt werden. Es ergibt sich so eine erhebliche Rechtsschutzlücke in Bezug auf das Handeln von INTERPOL in dem eigentlich so weit entwickelten, gerichtlichen Schutzsystem der EMRK.
Siehe Webseite von INTERPOL, abrufbar unter: https://www.interpol.int/How-we-work/Notices/Red-Notices/View-Red-Notices (zuletzt besucht am 13. August 2024).
Vgl. Webseite von INTERPOL, abrufbar unter: https://www.interpol.int/How-we-work/Notices/About-Notices (zuletzt besucht am 19. März 2024); INTERPOL-Generalversammlung, INTERPOL’s Rules on the Processing of Data (RPD), III/IRPD/GA/2011(2023) vom Juli 2012, Art. 82.
Zur Entwicklung des Menschenrechtsschutzsystems gegen staatliche Eingriffe: Norman Weiß, Überblick über die Erfahrungen mit Individualbeschwerden unter verschiedenen Menschenrechtsabkommen, in: AVR 2004, S. 142–156 (142 f.).
Andreas von Arnauld, Völkerrecht, 5. Auflage, 2019, Rn. 114 ff.
Vgl. INTERPOL-Generalversammlung, Constitution of the ICPO-INTERPOL (ICPO-Constitution), I/CONS/GA/1956(2023) vom 13. Juni 1956; Bernd Hecker, Europäisches Strafrecht, 6. Auflage, 2021, S. 156; Art. 2 Abs. 1 lit. i Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK) vom 23. Mai 1969, BGBl. 1985 II, S. 926.
Vgl. Webseite von INTERPOL, abrufbar unter: https://www.interpol.int/Who-we-are/Legal-framework/Membership-of-INTERPOL (zuletzt besucht am 18. März 2024).
Vgl. StIGH, France v. Turkey (Series A No. 10), Urteil vom 7. September 1927, S. 18 (Lotus).
Vgl. Matthias Herdegen, Völkerrecht, 22. Auflage, 2023, §15 Rn. 4.
So Stephen Bailey/Courtney Grafton/Rutsel Silvestre J. Martha, The Legal Foundations of INTERPOL, 2. Auflage, 2020, S. 23.
Siehe z. B. Webseite von INTERPOL, abrufbar unter: https://www.interpol.int/Who-we-are/Member-countries (zuletzt besucht am 24. März 2024).
INTERPOL-Generalversammlung, Resolution No. 1, Resolution, GA-2017-86-RES-01 vom 29. September 2017, S. 1; INTERPOL-Generalversammlung, Membership – Historical Perspective, GA-2017-86-REP-01, Appendix 1 S. 19.
Zum Aufgabenprofil: Webseite von INTERPOL, abrufbar unter: https://www.interpol.int/Who-we-are/What-is-INTERPOL/INTERPOL-Five-actions-for-a-safer-world (zuletzt besucht am 18. März 2024).
So auch Bettina Schöndorf-Haubold, The Administration of Information in International Administrative Law - The Example of Interpol, in: GLJ 2008, S. 1719–1752 (1721 f.); Sabine Gless/ Helge Elisabeth Zeitler, Interpol – The International Criminal Police Organisation, in: Robin Geiß/Nils Melzer (Hrsg.), The Oxford Handbook of the International Law of Global Security, 2021, S. 999–1019 (1002); Albrecht Randelzhofer, Rechtsschutz gegen Maßnahmen von INTERPOL vor deutschen Gerichten?, in: Ingo von Münch (Hrsg.), Festschrift für Hans-Jürgen Schlochauer, 1981, S. 531–555 (531, 544).
Vgl. Mario Savino, Global Administrative Law Meets „Soft” Powers: The Uncomfortable Case of Interpol Red notices, in: JILP 2011, S. 263–337 (291); jedoch nicht Deutschland, vgl. Webseite vom Bundeskriminalamt, abrufbar unter: https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Aufgabenbereiche/InternationaleFunktion/IKPO/ikpo_node.html (zuletzt besucht am 26. September 2024).
So auch Cheah Wui Ling, Policing Interpol: The Commission for the Control of Interpol's Files and the Right to a Remedy, in: Int'l Org. L. Rev 2010, S. 375–405 (382 f.).
Vgl. Präambel und Art. 1 Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950, BGBl. 1952 II, S. 685 („Regierungen europäischer Staaten“, „Hohe Vertragsparteien“), Art. 2 Internationaler Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte (IPBPR) vom 19. Dezember 1966, BGBl. 1973 II, S. 1534 („Vertragsstaat“).
EGMR, Waite and Kennedy ./. Germany (App. No. 26083/94), Urteil vom 18. Februar 1999, Rn. 67.
UN Dok. A/RES/217 A (III); generell gegen Annahme der Verbindlichkeit bei Garantien aus Gründungsverträgen: Walter Kälin/Jörg Künzli, The Law of International Human Rights Protection, 2. Auflage, 2019, S. 78.
So etwa Kälin/Künzli (Fn. 19), S. 79; Von Arnauld (Fn. 4), Rn. 131; daran zweifelnd Frank Meyer/Suzan Denise Hüttemann, Internationale Fahndungen nach Personen – von Steckbriefen, Rotecken und Funksprüchen, in: ZStW 2016, S. 394–445 (432).
Zur Praxis der Individualsanktionen des UN-Sicherheitsrates: Layla Kristina Jaber, Die Individualsanktionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und die Grund- und Menschenrechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, 2020, S. 47 f.
Ibid.
Hierzu Dominik Schulte, Der Schutz individueller Rechte gegen Terrorlisten, 2006, S. 252.
So auch Bardo Fassbender, Targeted Sanctions and Due Process – The responsibility of the UN Security Council to ensure that fair and clear procedures are made available to individuals and entities targeted with sanctions under Chapter VII of the UN Charter, Study commissioned by the United Nations Office of Legal Affairs, 2006, S. 17.
Dire Tladi, Ius Cogens, in: Anne Peters (Hrsg.), Max Planck Encyclopedias of Public International Law, Februar 2024, abrufbar unter: https://opil.ouplaw.com/display/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e1437?rskey=xQlwlh&result=1&prd=MPIL (zuletzt besucht am 30. März 2024), Rn. 36, 40, 43.
So auch: Helmut Philipp Aust/Nina Naske, Rechtsschutz gegen den UN-Sicherheitsrat durch europäische Gerichte? – Die Rechtsprechung des EuG zur Umsetzung „gezielter Sanktionen“ aus dem Blickwinkel des Völkerrechts, in: ZÖR 2006, S. 587–623 (614 ff.); Fassbender (Fn. 24), S. 12; Schulte (Fn. 23), S. 274.
Siehe z. B. Art. 35 Abs. 1 EMRK.
Anderes gilt in Grenzen für EU-Organe, vgl. Helge Sodan/Jan Ziekow, Grundkurs Öffentliches Recht – Staats- und Verwaltungsrecht, 10. Auflage, 2023, §51 Rn. 19; siehe auch Wortlaut von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §90 Abs. 1 BVerfGG.
United States Court of Appeals (District of Columbia), Steinberg v. INTERPOL (672 F.2d 927,217 U.S.App. D.C. 365, No. 80-1336), Entscheidung vom 16. Februar 1982, abrufbar unter: https://law.resource.org/pub/us/case/reporter/F2/672/672.F2d.927.80-1336.html (zuletzt besucht am 31.März 2024), Rn. 13 f., 25, 30.
United States Court of Appeals (District of Columbia, Sami v. United States of America (617 F.2d 755, 199 U.S. App. D.C. 173), Entscheidung vom 28. Dezember 1979, abrufbar unter: https://www.courtlistener.com/opinion/375886/mohammad-sami-v-united-states-of-america/?https://www.courtlistener.com/opinion/375886/mohammad-sami-v-united-states-of-america/? (zuletzt besucht am 31. März 2024), Rn. 16 f., 92.
Vgl. Rutsel Silvestre J. Martha, Challenging Acts of INTERPOL in Domestic Courts, in: August Reinisch (Hrsg.), Challenging Acts of International Organizations before National Courts, 2010, S. 206-238 (206, 229 f.).
Hans Peter Kunz-Hallstein, Die Gerichtsbefreiung Internationaler Organisationen in der deutschen Praxis, in: Wolfgang Fritzemeyer/Georg Jochum/Marcel Kau (Hrsg.), Grenzüberschreitendes Recht – Crossing Frontiers: Festschrift für Kay Hailbronner, 2013, S. 597–613 (601, 603).
Agreement between the International Criminal Police Organization – INTERPOL and the Government of the French Republic regarding INTERPOL’s Headquarters in France vom 1. September 2009; Headquarters Agreement with exchange of letters between the Kingdom of Belgium and the International Criminal Police Organization – INTERPOL (ICPO – INTERPOL) (with exchange of letters) vom 24. Oktober 2014.
Vgl. BAG, Urteil vom 25. Januar 1973 (5 AZR 399/72), Rn. 37 f. (Juris); zur Begrenzung auf „amtliche Tätigkeit“: BayVGH, Urteil vom 25. März 1995 (7 B 92.2689), Rn. 20 ff. (Juris).
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1974 (Solange I), BVerfGE 37, 271, 278; BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1981, NJW 1982, S. 507, 508.
Vgl. Julia Hennewig, Die Immunität internationaler Organisationen in den Vertragsstaaten der EMRK, 2019, S. 85.
Zum Inhalt von Art. 26 WVK: Mark E. Villiger, in: ders. (Hrsg.), Commentary on the 1969 Vienna Convention on the Law of Treaties, 2009, Art. 26 Rn. 8; Kirsten Schmalenbach, in: Oliver Dörr/Kirsten Schmalenbach (Hrsg.), Vienna Convention on the Law of Treaties – A Commentary, 2. Auflage, 2018, Art. 26 Rn. 49.
Vgl. Chie Sato, Immunität Internationaler Organisationen, 2004, S. 61, 113; Stefanie Schmahl, in: Wolfgang Graf Vitzthum/Alexander Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 8. Auflage, 2019, Rn. 106 ff.
BVerfG, Solange I (Fn. 38) und BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 1986, BVerfGE 73, 339 (Solange II).
BVerfG, Solange I (Fn. 38), BVerfGE 73, 271, 279; vgl. auch Kay Hailbronner, Immunity of International Organizations from German Jurisdiction, in: AVR 2004, S. 329–342, (331 ff.).
INTERPOL-Generalversammlung, Statute of the Commission for the Control of INTERPOL’s Files, Resolution, II.E/RCIA/GA/2016 vom 11. März 2017 (CCF-Statute).
Art. 3 Abs. 1 lit. a 33 III CCF-Statute; Meyer/Hüttemann (Fn. 20), S. 440 (noch zum inhaltlich ähnlichen Vorgänger des CCF-Statutes).
Art. 35 Abs. 5 CCF-Statute.
Art. 35 Abs. 4 S. 2 CCF-Statute.
CCF, Operating Rules of the Commission for the Control of INTERPOL’s Files, CCF/107/d488 vom 28. März 2017 (CCF-Operating Rules).
Siehe Art. 27 Abs. 3–4 CCF-Statute.
Zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift auch in solchen Fällen siehe: Art. 4 Abs. 2 RPD i. V. m. Art. 1 Abs. 5 RPD.
Vgl. hierzu auch eigene Angaben Kommission: CCF, Procedural Guidelines for Applicants to the Commission, Stand: 28. April 2023, S. 4, abrufbar unter: https://www.interpol.int/Who-we-are/Commission-for-the-Control-of-INTERPOL-s-Files-CCF/How-to-submit-a-request (zuletzt besucht am 2. April 2024).
Siehe etwa Art. 2 des ersten Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte vom 23. Mai 1976, BGBl. 1992 II, S. 1247.
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vom 13. Dezember 2007, Amtsblatt der Europäischen Union 2016 C 202/01, S. 47.
Zu Anzahl der Mitglieder: Webseite von INTERPOL, abrufbar unter: https://www.interpol.int/Who-we-are/Member-countries#:~:text=INTERPOL%20has%20196%20member%20countries,data%20related%20to%20police%20investigations (zuletzt besucht am 1. April 2024).
EGMR, Bosphorus ./. Ireland (App. No. 45036/98), Urteil vom 30. Juni 2005, Rn. 153.
Vgl. Martin Nettesheim, in: Jens Meyer-Ladewig/Martin Nettesheim/Stefan von Raumer (Hrsg.), EMRK – Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Auflage, 2023, Art. 1 Rn. 26, 31; Christoph Grabenwarter/Katharina Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 7. Auflage, 2021, §17 Rn. 12.
Vgl. Stefan Kadelbach, in: Oliver Dörr/Rainer Grote/Thilo Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 3. Auflage, 2022, Kap. 30 Rn. 26; Begriff aus: EGMR, M.&Co ./. Germany (App. No. 13258/87), Entscheidung vom 9. Dezember 1990.
Vgl. Cornelia Janik, Die EMRK und internationale Organisationen
– Ausdehnung und Restriktion der equivalent protection-Formel in der neuen Rechtsprechung des EGMR, in: ZaöRV 2010, S. 127–181 (162); Eberhard Schmidt-Aßmann, in: Matthias Herdegen et al. (Hrsg.), Grundgesetz – Kommentar, Band III, Stand: 102. EL, 2024, Art. 19 Abs. 4 Rn. 37c.
U.a. EGMR, M.&Co ./. Germany (Fn. 58); EGMR, Michaud ./. France (App. No. 12323/11), Urteil vom 6. Dezember 2012, Rn. 102; EGMR, Bosphorus ./. Ireland (Fn. 56).
Vgl. etwa EGMR, Al-Dulimi ./. Switzerland (App. No. 5809/08), Urteil vom 21. Juni 2016, Rn. 149 (anders noch in der vorherigen Entscheidung der vorlegenden Kammer, die von der Anwendbarkeit ausging: EGMR, Al-Dulimi ./. Switzerland [App. No. 5809/08], Urteil vom 26. November 2013, Rn. 116 ff.).
So Sébastien Platon, The ‘Equivalent Protection Test’, From European Union to United Nations, from Solange I to Solange II, in: European Constitutional Law Review 2014, S. 226–262 (261).
Siehe: EGMR, M.S.S ./. Belgium (App. No. 30696/09), Urteil vom 21. Januar 2011, Rn. 339 f.; EGMR, Michaud ./. France (Fn. 60), Rn. 103.
Vgl. Entscheidung zu Sicherheitsratsresolutionen: EGMR, Al Dulimi ./. Switzerland (Fn. 64), Rn. 142.
Vgl. Janik (Fn. 59), S. 152; letztlich keine Zuständigkeit mangels solchen Eingreifens: EGMR, Boivin ./. 34 Member States of the Council of Europe (App. No. 73250/01), Entscheidung vom 9. September 2008, Rn. 2.
Vgl. EGMR, Matthews ./. United Kingdom (App. No. 24833/94), Urteil vom 18. Februar 1999, Rn. 33 ff., 44.
Vgl. EGMR, S.A. Dangeville ./. France (App. No. 36677/97), Urteil vom 16. April 2002, Rn. 57; Janik (Fn. 59), S. 160.
Siehe etwa: EGMR, Soering ./. United Kingdom (App. No. 14038/88), Urteil vom 7. Juli 1989, Rn. 88, 91; EGMR, G.S ./. Bulgaria (App. No. 36538/17), Urteil vom 4. April 2019, Rn. 79, 81; William A. Schabas, in: William A. Schabas (Hrsg.), The European Convention on Human Rights, A Commentary, 1. Auflage, 2015, S. 165, 195.
Vgl. Stefan Sinner, in: Ulrich Karpenstein/Franz C. Mayer (Hrsg.), Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 3. Auflage, 2022, Art. 3 Rn. 24a.
Karin de Vries, in: Pieter van Dijk et al. (Hrsg.), Theory and Practice of the European Convention on Human Rights, 5. Auflage, 2018, S. 672 f.; u.a. EGMR, M.N ./. San Marino (App. No. 28005/12), Urteil vom 7. Juli 2015, Rn. 53.
Juliane Pätzold, in: Ulrich Karpenstein/Franz C. Mayer (Hrsg.), Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, 3. Auflage, 2022, Art. 8 Rn. 30 f.; EGMR, M.N. ./. San Marino (Fn. 75), Rn. 53; EGMR, S. and Marper ./. United Kingdom (App. No. 30562/04, 30566/04), Urteil vom 4. Dezember 2008, Rn. 67 ff.; DNS steht für Desoxyribonukleinsäure, die die Erbinformationen enthält, vgl. Webseite vom Öffentlichen Gesundheitsportal Österreich, abrufbar unter: https://www.gesundheit.gv.at/lexikon/D/dna.html#:~:text=DNA%20(englische%20Abkürzung%20für%20deoxyribonucleic,vorkommt%20und%20deren%20Erbinformationen%20enthält (zuletzt besucht am 26. September 2024.
Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz) vom 1. Juni 2017, BGBl. I 2017, S. 1354.
Vgl. EGMR, S. and Marper ./. United Kingdom (Fn. 76), Rn. 103 ff., 115 ff.; Theodor Schilling, Internationaler Menschenrechtsschutz – Das Recht der EMRK und des IPbpR, 4. Auflage, 2022, Rn. 641, Rn. 340.
Siehe: Wortlaut Art. 6 Abs. 1 EMRK; Stefan Harrendorf/Stefan König/Lea Voigt, in: Jens Meyer-Ladewig/Martin Nettesheim/Stefan von Raumer (Hrsg.), EMRK – Europäische Menschenrechtskonvention, 5. Auflage, 2023, Art. 6 Rn. 5.
Schilling (Fn. 78), Rn. 641; Schabas (Fn. 72), S. 280 f.; EGMR, Pedersen and Baadsgaard ./. Denmark (App. No. 49017/99), Urteil vom 17. Dezember 2004, Rn. 44.
EGMR, Eckle ./. Germany (App. No. 8130/78), Urteil vom 15. Juli 1982, Rn. 74.
Schabas (Fn. 72), S. 284 f.; EGMR, Golder ./. United Kingdom (App. No. 4451/70), Urteil vom 21. Februar 1975, Rn. 28, 35 f.
Siehe Tom Barkhuysen et al., in: Pieter van Dijk et al. (Hrsg.), Theory and Practice of the European Convention on Human Rights, 5. Auflage, 2018, S. 573 f.; EGMR, Fredin ./. Sweden (no. 2) (App. No. 18928/91), Urteil vom 23. Februar 1994, Rn. 21.
Siehe die Ausführungen unter 2. b).
Vgl. Pamela McCormick/Clare Ovey/Bernadotte Rainey, The European Convention on Human Rights, 8. Auflage, 2021, S. 293 f.; EGMR, Sporrong and Lönnroth ./. Sweden (App. No. 7151/75), Urteil vom 23. September 1982, Rn. 86; zur Beseitigung siehe u.a. EGMR, Morris ./. United Kingdom (App. No. 38784/97), Urteil vom 26. Februar 2002, Rn. 73.
Vgl. EGMR, Zumtobel ./. Austria (App. No. 12235/86), Urteil vom 21. September 1993, Rn. 29 ff.
Siehe die Ausführungen unter 2. b).
Vgl. Kälin/Künzli (Fn. 19), S. 225; Katharina Bielke, Das Prinzip des effektiven Rechtsschutzes nach der EMRK, 2021, S. 43.
Hans-Joachim Cremer, in: Oliver Dörr/Rainer Grote/Thilo Marauhn (Hrsg.), EMRK/GG, Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 3. Auflage, 2022, Kap. 32 Rn. 87; Bielke (Fn. 94), S. 44; Solveig Haß, Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, Charakter und Bindungswirkung und Durchsetzung, 2006, S. 71 f.
So Heike Jung, Die Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarats – zugleich ein Beitrag zur europäischen Rechtsquellenlehre, in: Jürgen Bröhmer et al. (Hrsg.), Internationale Gemeinschaft und Menschenrechte, Festschrift für Georg Ress zum 70. Geburtstag am 21. Januar 2005, 2005, S. 519–526 (523).
Bielke (Fn. 94), S. 41; für Orientierungswirkung für die verurteilte Partei bei parallelen Fällen: Matthias Ruffert, Die Europäische Menschenrechtskonvention und innerstaatliches Recht, in: EuGRZ 2007, S. 245–255 (249 f.); für erga omnes-Wirkung allgemein: Dominic McGoldrick, A Defence of the Margin of Appreciation and an Argument for its Application by the Human Rights Committee, in: ICLQ 2016, S. 21–60 (31).