Manfred Kittel, Die Zwei Gesichter der Zerstörung. Raphael Lemkins UN-Genozidkonvention und die Vertreibung der Deutschen.

Eckart Klein

Prof. Dr. iur., ehemaliger Direktor des MenschenRechtsZentrums der Universität Potsdam.

DOI: https://doi.org/10.60935/mrm2024.29.1.5

Citation: Klein, E. (2024). Manfred Kittel, Die Zwei Gesichter der Zerstörung. Raphael Lemkins UN-Genozidkonvention und die Vertreibung der Deutschen.. MenschenRechtsMagazin 29. https://doi.org/10.60935/mrm2024.29.1.5.

Received: 02-02-2024 | Accepted: 28-02-2024 | Published: 12-06-2024

Im Mittelpunkt des lesenswerten Buches steht die Frage nach dem richtigen Verständnis der UN-Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermords von 1948, die 1951 in Kraft getreten ist. An ihrer Erarbeitung hatte Raphael Lemkin (1900–1959), ein jüdischer, im Zarenreich geborener polnischer Jurist, erheblichen Anteil; es ist daher berechtigt, dass Kittel auf die Lemkinsche Interpretation immer wieder zurück kommt. Für die rechtliche Beurteilung kann allerdings nur die Konvention selbst maßgebend sein, die nach den im Völkerrecht anerkannten Interpretationsmethoden auszulegen ist. Davon geht auch der Autor, der Regensburger Neuhistoriker Manfred Kittel, zutreffend aus.

Lemkin hat nach seiner Entlassung als Staatsanwalt aus dem polnischen Staatsdienst im Jahr 1934 seine schon zuvor begonnenen Studien über die „Zerstörung ethnischer, nationaler und religiöser Gruppen“ (S. 35) fortgeführt, also den Schutz der Gruppe als solcher neben den Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit von Individuen gestellt. In seinem im amerikanischen Exil geschriebenen Buch über „Axis Rule in Occupied Europe“ (1944) fand er für das Vorgehen der Achsenmächte gegen die unterworfenen Völker, das er als „new conception for destruction of nations“ beurteilte, den neuen Begriff Genozid („genocide“). Damit solle bezeichnet werden „a coordinated plan of different actions aiming at the destruction of essential foundations of the life of national groups, with the aim of annihilating the groups themselves. (...) Genocide is directed against the national group as an entity, and the actions involved are directed against individuals, not in their individual capacity, but as members of the national group. “1 Diese Überlegungen hat Lemkin später im Kontext seiner Mitarbeit bei der Entstehung der Konvention von 1948 und noch danach weiter ausgeführt, wie Kittel immer wieder deutlich macht.

Die entscheidende im hier besprochenen Buch diskutierte Frage ist, ob der Begriff des Genozids/Völkermords voraussetzt, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen – die Konvention spricht von einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe als solcher – ganz oder möglichst ganz physisch ausgerottet werden soll (Ausrottungsgenozid) oder ob es genügt, eine solche Gruppe in ihrer sozialen Einheit und Geschlossenheit zu zerstören (Zerstörungsgenozid). Diese in der Wortwahl gelungene Unterscheidung ist wesentlich für den „vertreibungshistorisch fokussierten Blick“ des Verfassers (S. 14), der, wie es der Untertitel zum Ausdruck bringt, die Vertreibung der Deutschen (nach dem Zweiten Weltkrieg) am Maßstab der Konvention messen will. Das ist durchaus legitim, auch wenn man berücksichtigt, dass diese erst nach Vollzug der Vertreibung aus ehemals von Deutschen besiedelten Gebieten geschaffen und in Kraft getreten ist. Es spricht nichts dagegen, die dort entwickelten Maßstäbe auch an vor 1948 geschehene Ereignisse anzulegen, wenn man sich klar macht, dass eine sich daraus ergebende Beurteilung als Völkermord nicht zu unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen führen kann, es sei denn, sie ergäbe sich aus anderen schon damals geltenden Rechtsnormen. So kann man durchaus neben den bereits erwähnten Vertreibungen etwa das Vorgehen gegen die indigenen Völker durch europäische und asiatische Kolonialmächte oder die Niederschlagung des Aufstandes der Herero und Nama in Deutsch-Südwest-Afrika, dem heutigen Namibia (1904), das Vorgehen des Osmanischen Reiches gegen die Armenier (1915/16), den sog. Holodomor (Hungermord) am ukrainischen Volk durch Stalin (1932/33) und selbstverständlich den von Deutschen verübten Holocaust (Shoa) an den europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland untersuchen und prüfen, ob sie die Kriterien der Konvention von 1948 erfüllen und als Völkermord im heute anerkannten juristischen Sinn bezeichnet werden können. Das ist jedenfalls unter moralischen Aspekten von Bedeutung, ist doch der Genozid als „Verbrechen der Verbrechen“ („crime of crimes“), wie es der vom UN-Sicherheitsrat eingesetzte Internationale Strafgerichtshof im Fall Ruandas ausgedrückt hat, mit einem besonders schweren moralischen Vorwurf behaftet.2 Der heftige Widerstand davon betroffener Staaten dagegen, dass ein von ihnen vor oder nach 1948 zu verantwortendes Geschehen als Völkermord bezeichnet wird, ist daher aus dieser Perspektive verständlich. Dann liegt es auch nahe, die zur Einordnung als Völkermord führenden Kriterien der Konvention eng auszulegen und die zu prüfenden Vorkommnisse eher den Kategorien der „Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Menschheit)“ oder „Kriegsverbrechen“ zuzuweisen, selbst wenn es zwischen diesen Verbrechen und dem Völkermord keine rechtliche (wohl aber eben eine moralische) Hierarchie gibt. Vertreibungen nationaler, ethnischer, rassischer oder religiöser Gruppen werden nur dann als Genozid eingestuft werden können, wenn man auch den „Zerstörungsgenozid“ neben dem „Ausrottungsgenozid“ als von der Konvention erfasst hält. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass Vertreibungen durch die Art und Weise ihrer Ausführung den Charakter eines Ausrottungsgenozids annehmen und dann gesichert der Konvention unterfallen (S. 22 f.).

Die Konvention von 1948 ist in dem hier interessierenden Punkt jedoch nicht eindeutig. Kittel führt zu Recht aus, dass einerseits die Katastrophe der Shoa, zweifelsfrei ein Ausrottungsgenozid, im Vordergrund der Beratungen stand und zudem viele der daran beteiligten Staaten an der Erörterung der von ihnen zu verantwortenden Vertreibungen aus nachvollziehbaren Gründen kein Interesse hatten. So wurde ein syrischer Vorschlag, den erzwungenen Heimatverlust explizit in die Konvention aufzunehmen, abgewehrt (S. 17). Andererseits ist der Wortlaut der Konvention (Art. II) nicht zweifelsfrei. Völkermord wird definiert durch bestimmte, enumerativ aufgeführte Handlungen, die in der Absicht vorgenommen werden, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören (destroy)“. Die hierzu erforderlichen alternativen Tathandlungen sind zwar teilweise (lit. a und c) unmittelbar auf Tötung (killing) oder körperliche Zerstörung (physical destruction) der ganzen Gruppe oder ihrer Teile durch die Auferlegung von dazu geeigneten Lebensbedingungen gerichtet und sprechen insofern für ein Verständnis als Ausrottungsgenozid. Jedoch lassen sich die Verhängung von Maßnahmen zur Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe (lit. d), jedenfalls aber die gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe (lit. e) als Maßnahmen verstehen, die ganz ohne Tötung geeignet sind, die Lebensgrundlagen einer Gruppe als solcher zu zerstören, womit sie die Kriterien eines Zerstörungsgenozids aufnehmen. Sie enthalten sogar Elemente eines „kulturellen Genozids“, der allerdings entgegen den Intentionen Lemkins keine Aufnahme in die Konvention fand.3 Letztlich war, wie Kittel richtig bemerkt, die Konvention „das Ergebnis eines klassischen diplomatischen Kompromisses“ (S. 23). So lässt sie zumindest das Verständnis zu, dass „Genozid“ ihrem Sinn nach auch ein Zerstörungsgenozid ist.

Unter diesen Umständen kommt der Praxis der Staaten und internationaler Organe erhebliche Bedeutung zu. Kittel weist darauf hin, dass die Genozidkonvention in den späteren Jahren zunächst wenig Beachtung fand. Bemerkenswert sind insoweit jedoch zum einen die bei der Ratifikation der Konvention durch die Bundesrepublik Deutschland 1953/54 geführte Debatte über die Ergänzung des Strafgesetzbuches um den § 220a zum Völkermord und zum anderen die Intensität, mit der Lemkin sich an dieser Debatte beteiligte (S. 58 ff., ferner die Dokumente im Anhang, S. 154 ff.). Seine Eingaben beanstandeten, dass der Entwurf der neuen Bestimmung (§ 220a) von der Ausrottung der Mitglieder einer Bevölkerungsgruppe ausging. Lemkin vertrat dezidiert die Ansicht, dass dadurch der Sinn der Konvention eingeengt und diese zudem als Argument gegen die „Austreibung im Osten“ unbrauchbar werde. Dieses Argument hat den Bundestag, wie die im Buch teilweise wiedergegebene parlamentarische Aussprache erkennen lässt, wohl überzeugt (Dokumente 3, 5 und 6). Entsprechend ist die endgültige Fassung von § 220a sehr nahe an den Wortlaut von Art. II der Konvention herangeführt worden und geht nicht mehr von notwendiger Ausrottungsabsicht aus, sondern von der Absicht, „eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihr Volkstum bestimmte Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“ (S. 162). Im Rechtsausschuss wurde die Wendung der „Gruppe als solche“ damit erläutert, dass dabei das Leben von Gruppenmitgliedern nicht gefährdet sein müsse. „Es genüge für die Verwirklichung des Tatbestandes, daß die Gruppe in ihrem Zusammenhang zerstört werde“ (S. 160). Zutreffend wird ferner auf den viele Jahre späteren Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (Kammer) hingewiesen (S. 103 ff.), wonach „die in § 220a StGB vorausgesetzte Absicht der Zerstörung der Gruppe (…) schon nach dem natürlichen Wortsinn weiter (ist) als die physisch-biologische Vernichtung“. Zudem wird dort ausgeführt, dass nach einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates und der Generalversammlung „ein Verständnis des Völkermordbegriffs, das über die physisch-biologische Vernichtung der geschützten Gruppe hinausgeht, zumindest nicht ausgeschlossen ist.“4 Allerdings gibt es zahlreiche von Kittel auch benannte gegenteilige Aussagen, die dafür ganz verschiedene Argumente anführen (S. 74 ff., 84 ff., 92 ff., 105). Besonders deutlich hat der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag den Genozid mit der Absicht der physisch-biologischen Zerstörung verbunden (S. 105).5 Im Übrigen gibt es zum einen die ihre Einzigartigkeit unterstreichende grundsätzliche Gleichsetzung des Völkermordbegriffs mit der Shoa, die für alle anderen ähnlichen Vorkommnisse andere rechtliche Einordnungen fordert (etwa als Verbrechen gegen die Menschlichkeit), oder es wird zumindest eine hohe Zahl von Getöteten verlangt, um ethnische Säuberungen und Vertreibungen entsprechend qualifizieren zu können. Der „Zerstörungsbegriff“ in Art. II der Konvention dürfe nicht zu einer inflationären Verwendung des Genozidbegriffs als „crime of crimes“ führen.6 Das Römische Statut über die Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs (1998) und das deutsche Völkerstrafgesetzbuch (2002) übernehmen die Definition des Völkermords aus der Genozidkonvention und ordnen zugleich Vertreibungen den „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu (S. 106).7 Doch schließen die hier vorgenommenen Eingruppierungen nicht aus, dass das eine Verbrechen in das andere übergehen kann. Es bleibt also das Problem des „richtigen“ Verständnisses von Art. II der Konvention, die Grundlage für die Schaffung sowohl des Römischen Statuts (Art. 7) als auch des Völkerstrafgesetzbuchs (§ 7) gewesen und daher für deren Auslegung wesentlich ist.

Auf den Seiten 115 bis 126 zieht Kittel seine Schlussfolgerungen für die Vertreibung der Deutschen aus ihren (süd-)osteuropäischen Siedlungsgebieten. Er hält sowohl die subjektiven als auch die objektiven Tatbestandsvoraussetzungen für gegeben. Dabei geht er von dem nach der Genozidkonvention möglichen Verständnis aus, dass sie auch den „Zerstörungsgenozid“ erfasst und damit weder die Intention zur Tötung von Gruppenmitgliedern noch faktisch eine Tötungshandlung erfordert, vielmehr die „Zerstörung einer Gruppe ‚als solcher‘ in ihrer sozialen Einheit und Geschlossenheit“ und eine hierauf bezogene Intention genügen lässt (S. 143). Der Autor erörtert und belegt dies unter Hinweis auf vielfältig vorhandene und publizierte Nachweise und Dokumente, wobei auch die sehr große Anzahl getöteter Mitglieder der verschiedenen deutschen Siedlungsgruppen im Verlauf der jeweiligen Vertreibung zur Sprache kommt (S. 124 f.). Neben solchen Vorfällen gab es auch die Auferlegung von Lebensbedingen, die geeignet waren, die körperliche Zerstörung der Gruppe als solcher ganz oder teilweise herbeizuführen oder die Zufügung schwerer körperlicher oder seelischer Schäden, die Mitglieder der Gruppe zu erleiden hatten. Die Zerstörungsabsicht wird in den vorhandenen Vertreibungsplänen gesehen, die exekutiert wurden. Aber selbst wenn man von der engeren Ansicht (Ausrottungsgenozid) ausgehe, müsse man bei der Vertreibung der Deutschen aus Jugoslawien von Völkermord ausgehen, da durch die Deportationsmaßnahmen ein Drittel der noch dort lebenden deutschen Bevölkerung (über 60.000 Personen) sein Leben verlor (S. 144 f.).

Es besteht kein Zweifel, dass durch die Ereignisse in Srebrenica und Ruanda das Völkermordthema neue Aufmerksamkeit fand und Gegenstand intensiver, gerade auch juristischer Erörterungen wurde (S. 107 ff., 133 ff.). Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2016 die schwere Verfolgung, Vertreibung und Tötung großer Teile der armenischen Bevölkerung durch das Osmanische Reich (1915/16) als Völkermord unter heftigem Protest der türkischen Regierung anerkannt. 2021 folgte die entsprechende Anerkennung der brutalen Niederschlagung des Herero- und Nama-Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika (1904–08), im November 2022 würdigte der Bundestag den Holodomor (1932/33), im Zuge dessen Hunderttausende aufgrund der von Stalin angeordneten Maßnahmen in der Ukraine den Hungertod erlitten, dahingehend, dass „eine historisch-politische Einordnung als Völkermord naheliege“. Am 19. Januar 2023 wurde das Vorgehen des sogenannten Islamischen Staates gegen die Jesiden im Irak und Syrien (2014–2017) als Völkermord anerkannt.8 Eine entsprechende Genozid-Resolution bezogen auf den Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine (seit 2022) hat der Bundestag bislang nicht verabschiedet, in der Literatur gibt es aber klare Stimmen, die wohl zutreffend von einem (noch andauernden) Genozid ausgehen (S. 140).9 Noch nicht erwähnen konnte Kittel den Überfall von Hamas-Mitgliedern auf Israel im Oktober 2023, der zur grausamen Tötung von über tausend Menschen und zur Verschleppung von etwa 200 Personen als Geiseln führte und zumindest genozidale Züge aufweist. Auch im Hinblick auf den dadurch verursachten neuen Gaza-Konflikt, in dessen Verlauf bislang etwa 25.000 Zivilpersonen im Gazastreifen ums Leben kamen und die Lebensbedingungen der Bevölkerung sich katastrophal entwickelt haben, ist die Frage aktuell geworden, ob dieser Selbstverteidigungskrieg Israels nicht auch ab einem bestimmten Zeitpunkt als Genozid einzuschätzen ist. Über eine gegen Israel gerichtete Klage Südafrikas, ob das Vorgehen Israels als Genozid zu beurteilen ist, wird der Internationale Gerichtshof zu entscheiden haben. Ein bereits verkündeter Beschluss über vorläufige Maßnahmen hat diese Frage noch offen lassen können. Viele andere Fälle könnten noch angeführt werden (z .B. Tibeter, Uiguren, Rohingyas). Unmittelbare Rückschlüsse werden von den von Deutschland ausdrücklich als Genozid anerkannten Vorfällen auf die Beurteilung der Vertreibungen nicht gezogen.

Die lang anhaltende Verdrängung des von der Konvention behandelten Verbrechens des Völkermords aus der allgemeinen öffentlichen Beachtung, bis es zu den aufrüttelnden Geschehnissen in Srebrenica kam, ist zu Recht einer intensiven Beschäftigung mit dem Verbrechen des Völkermords gewichen. Das hier besprochene Buch zeigt, dass gleichwohl noch nicht alle Fragen geklärt sind. Die bereits bei der Entstehung der Konvention aufgetretene Differenz bezüglich der Auslegung des Völkermordtatbestands besteht fort. Der zuletzt von Aharon Barak im Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof eindrucksvoll eingeforderten Auslegung im Sinne eines am Holocaust orientierten engen Verständnisses (Ausrottungsgenozid) steht die schon ursprünglich vom „Vater“ der Konvention von 1948 Lemkin vertretene Ansicht gegenüber, dass auch die Zerstörung, die eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche in Gänze oder teilweise ihrer Einheit und ihres Zusammenhalts beraubt, Genozid sei und die Charakterisierung als „crime of crimes“ verdiene. Das Buch von Kittel vertritt mit durchaus nachvollziehbaren Argumenten die zuletzt genannte Auffassung.

Footnotes

1

Raphael Lemkin, Axis Rule in Occupied Europe, 1944, S. 79.

2

ICTR, Prosecutor ./. Kambanda (ICTR 97-23-S), Urteil vom 4. September 1998, Rn. 16.

3

Auf der Verlustliste der Lemkin’schen Vorschläge steht übrigens auch das Herausfallen des Schutzes „politischer Gruppen“ aus Art. II der Konvention.

4

BVerfG (K), Beschluss vom 12. Dezember 2000 – 2 BvR 1290/99, Rn. 22 und 34. Weiter wird in dem Beschluss auf Entscheidungen der Internationalen Strafgerichtshöfe für das frühere Jugoslawien und Ruanda Bezug genommen (Rn. 28 ff.).

5

ICTY, Prosecutor ./. Radislav Krstić (IT-98-33), Urteil vom 02. August 2001, Rn. 580.

6

Erst kürzlich hat der israelische Ad-hoc-Richter Aharon Barak in dem Verfahren vor dem IGH über den gegen Israel gerichteten Antrag Südafrikas auf den Erlass einstweiliger Maßnahmen im Gaza-Konflikt vor der beunruhigenden Tendenz einer Verwässerung des Völkermordbegriffs gewarnt (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31.01.2024, S. 8).

7

Römisches Statut Art. 7 lit. d; Völkerstrafgesetzbuch § 7 Ziff. 4.

8

Vgl. dazu Eckart Klein, Der Genozid des sogenannten Islamischen Staates an den irakischen Jesiden aus der Sicht des Völkerrechts, in: Stefan Gatzhammer/Johann Hafner/Dawood Khatari (Hrsg.), Ferman 74. Der Genozid an den Jesiden 2014/15. Analysen – Interviews – Dokumentationen, 2021, S. 51–77.

9

Über die Frage, ob Russland zur Rechtfertigung seines Krieges sich auf einen von der Ukraine begangenen Völkermord im Osten seines Territoriums berufen kann, wird der IGH noch entscheiden.